Phytotherapie in der Frauenheilkunde

Die De Materia Medica (Dioscorides 1568), die Standard-Enzyklopädie für die traditionelle europäische Phytotherapie, monografierte in etwa 800 Kapiteln mehr als 500 verschiedene Pflanzen. Nicht alle davon wären heute zu empfehlen, da vor allem die Nebenwirkungen einer Langzeitbehandlung unterschätzt wurden.

Die gynäkologischen Anwendungen, einschließlich der Fruchtbarkeit, war in der Antike das drittgrößte Anwendungsgebiet, nach der dermatologischen und der Behandlung von Magen-Darm-Beschwerden. Etwa 600 gynäkologische Anwendungen werden in diesem Standardwerk der Europäischen Traditionellen Medizin beschrieben.

Die größte Anwendungskategorie in der Gynäkologie umfasste  Erkrankungen in der Schwangerschaft, etwa 100 Anwendungen werden für verschiedene Gebärmutter- und Vaginalerkrankungen beschrieben.

Pflanzen, die als Abtreibungsmittel oder zur Empfängnisverhütung verwendet wurden, waren eher selten – etwa zwanzig. Unter Berücksichtigung, der zu dieser Zeit gegebenen Erkenntnisse zur Empfängnisverhütung werden viele dieser Pflanzen potenziell in der Gruppe der Emmenagoga (Beeinflussung der Regelmäßigkeit der Menstruation) berücksichtigt.

Vor diesem Hintergrund sind die Monografien (wissenschaftliche Beschreibung einer Pflanze, einschließlich medizinischer Anwendungshinweise) innerhalb Europas – HMPC – eine Überraschung:

Weniger als 10 Pflanzen berücksichtigen überhaupt frauenspezifische Indikationen, wie z.B. starke Monatsblutungen, Menstruationsschmerzen oder klimakterische Beschwerden. Einigen Pflanzen liegt ein hormoneller Wirkmechanismus zugrunde, was wenig Verbesserung gegenüber synthetischen Hormonen bedeutet.

Vielleicht hilft ein Schritt zurück, diese europäische Situation zu verstehen:

Im Rahmen eines EU-Harmonisierungsprozesses 1999/83/EG und 2004/24/EG wurde für alle auf dem Markt befindlichen Medikamente eine Nachzulassungsbewertung gefordert.

Aber von den 1980er Jahren bis Anfang 2000 war die Gynäkologie das goldene Zeitalter der Hormonbehandlung. Die „Pille“ veränderte die Gesellschaft. Die Hormonersatztherapie war die Standardversorgung, die oft nicht durch Beschwerden, sondern durch das Alter der Frauen bestimmt wurde. In diesem Umfeld haben viele der phytopharmazeutischen Unternehmen vor 20 Jahren beschlossen, die angeforderten Daten für den Prozess der Nachzulassung ihrer Naturprodukte/Medikamente in der Gynäkologie nicht zur Verfügung zu stellen: Es war zu kostspielig  neue Studien aufzusetzen um die Anforderungen zu erfüllen. Ein Wettbewerb mit den synthetischen Hormonen schien aussichtslos.

War die europäische Harmonisierung und das Nachzulassungsverfahren als Verbesserung der Sicherheit für die Patientinnen gedacht war, scheint es heute ein Fallstrick zu sein, vor allem bei der Gesundheit der Frauen. A

Frauen sind das Hauptmarktsegment für gesunde Ernährung, Nahrungsergänzungsmitteln und Naturprodukten. Fast täglich kommen neue Nahrungsergänzungsmittel, Botanicals und „Frauenkräuter“, mit großartigen Marketingstrategien auf den Markt – keines davon wurde einer klinischen Prüfung unterzogen, im besten Fall schaden sie nicht.

 

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