Beifuß – vom Zauberkraut zum Küchengewürz

Weihnachtsbraten

Einigen liegt er eventuell noch schwer im Magen: der Weihnachtsbraten. Zahlreiche Rezepte beinhalten Beifuß, um die Bekömmlichkeit zu verbessern. Artemisia-Gattungen von Beifuß bis Eberraute von Estragon bis Wermut sind phytopharmazeutisch eine sehr interessante Gruppe – Artemisin wird zur Behandlung der Malaria intensiv beforscht. Es ist auffällig, dass verschiedenste Arten seit langem therapeutisch genutzt wurden und das in unterschiedlichen geografischen Gebieten, welche die Heilwirkungen empirisch, selbsttätig und übereinstimmend herausgefunden haben mussten. Mehrheitlich in allen Kulturen waren die Wirkung der Artemisia-Arten auf Verdauungsstörungen, wie Appetitlosigkeit, ikterische Veränderungen (Gelbsucht) und auch als „wurmtreibendes Mittel“ (darauf weist auch der englische Name: wormwood hin) bekannt. Generell setzte man Artemisia-Arten historisch zur Anregung der Körpersäfte (Förderung des Galleflusses, Steigerung der Harnbildung) und zur Behandlung von Fieber ein.

Das der Mondgöttin – Artemis- geweihte Kraut war in der Frauenheilkunde nahezu eine Universalmedizin. Vertrieben Räucherungen Angst und Melancholie, nutzen die Dämpfe gegen Krämpfe – bei Menstruation und Geburt, brachte das Beifußkraut die Körpersäfte kräftig zum fließen – Detox der vergangenen Jahrhunderte. Zum Fließen der Säfte gehörte auch das Menstruationsblut. (siehe auch Emmenagoga). Diese Eigenschaft wurde dem Beifuß unter dem Einfluss der katholischen Kirche und der Hexenverfolgung schon im 16. Jahrhundert zum Verhängnis und die Anwendung wurde verboten, denn bei entsprechender Dosierung konnte das Kraut Schwangerschaftsaborte auslösen. Diese Anwendung war auch aufgrund des enthaltenden Nervengiftes Thujon nicht ungefährlich gewesen, denn es konnte epileptische Krämpfe hervorrufen. Eine geringere Dosierung, als ein alkoholischer Auszug – Beifußwein- fand bei Geburten regen Einsatz, steigerte dieser doch die Wehentätigkeit. Beifuß zählte zu den sogenannten Schlosskräutern – die den weiblichen Schoß während einer Geburt öffnen sollten. Bis heute wird Beifußkraut für Räucherungen verwendet, die beruhigend und angstlösend wirken. Die „Moxazigarren“ der chinesischen Medizin werden zum Erwärmen von Akupunkturpunkten eingesetzt.

Aber die Kommission E erteilte 1988 dem Beifuß eine Negativmonographie – fehlender Wirksamkeitsnachweis, allergenes Potential und eine abortive Wirkung sind in der Begründung genannt. Nun lagen für die Bewertungen der Kommission E im Rahmen der Nachzulassungen von den wenigsten Pflanzen Wirksamkeitsnachweise aus klassischen Studien vor: das allergene Potential anderer Pflanzen hielt die Kommission E auch nicht davon ab, eine Positivmonographie zu erteilen, mit entsprechender Warnung. Mag das abortive Potential noch 1988 eine nicht unwesentliche Rolle für das negative Risiko-Nutzen Verhältnis gespielt haben?

Nun, wenn sie das nächste Mal dem Küchenkräutlein Beifuß begegnen, sehen Sie Artemesia vulgaris vielleicht mit anderen Augen. Bleiben Sie gesund.

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